[Raimund, Ferdinand]. - Roller, Andreas, Bühnenbildner (1805-1901)


Sprachlich und orthographisch unbeholfener Bittbrief an Ferdinand Raimund, "Resigeur und Schauspieler des k:k: prifl: Theaters in der Leopoldstadt in Wien", 2 Seiten mit gesiegeltem Adressblatt, gr-8, Graz, 26. 1. 1828. "Hochschätzbahrster Herr von Raimund! Da Sie mir so fiele Ehre und Freundschaft erzeugten als ich mich noch in Wien befand, und mir zugleich Erlaubten, daß wenn ich Jezeid an einem unfohrgesehenen Falle in Verlegenheit kommen solte, mich ohne Scheu an Sie wenden dürfte daher Sie es nicht Ungütig nehmen werden wen ich so frey bin eine Bitte an Sie zu stellen: die zwar nicht mich sondern meinen Vater in Dreßden betrift, da mir schon lange her Ihr Einfluß bey der Leopoldstädter Theater-Direktion bekant und nur Ihr Willensmeinung alldort geldent ist so werde ich nicht länger säumen den Wunsch meines Vaters Ihnen bekant zu machen: Da er wo er sich jetzt befindet sehr unzufriden ist, und für ihm die Beschäftigung so wie die Bezahlung zu wenig, und er durch den Mahler Arigoni: so entsetzlich sekirt wird, so ist er fest Entschlossen seynen jetzigen Aufenthalt zu ferlasen, und seyn Tallent, sammt dessen meines Bruders Josephs nicht Erschlafen zu lassen: Er hatt mir aufgetragen in seynem Nahmen an Sie zu schreiben; indem er seyne Dienste so wie die meines Bruders anträgt: Da Sie selbst meinen Vater durch lange Jahre von seiner Geschüklichkeit überzeugt sind und ich für meinen Bruder gut stehe: so könte Ihnen diese Gelegenheit filleicht willkommen seyn, um daher, Ihnen gleich mit dem Grazer Stand bekant zu machen so glaubt mein Vatter, für sich und meinen Brudern zwölfhundert f C:Mtz: [Gulden Conventionsmünze] fordern zu können welche er früher im Theater an der Wien auch hatte: / Da ich Ihre Gütte in Anspruch nehme, und wen Sie es dahin bringen können, und mein Vater wünscht: so werden Sie mich als einen Ewig dankbahren Menschen kennen lernen. Erlauben Sie mir Höflichst, um eine baldige Antwort zu bitten und mich zugleich zu Unterzeichnen / Euer Wohlgebohren / Ergebener / Andr: Roller / Franzensplatz No. 39." - Fleckig und leicht gebräunt, erste Seite mit Klebespur, Adressblatt mit Ausriss durch Siegelöffnung. Das Erledigungsdatum und die Registraturvermerke auf dem Adressblatt stammen vermutlich nicht von der Hand Raimunds.- Provenienz: aus dem Nachlass des Wiener Antiquars Heinrich Hinterberger (Bleistiftvermerk am unteren Rand der ersten Seite).

Vgl. Thieme-Becker 28, 537 und 2, 154. - Andreas Leonhard Sebastian Roller wurde in Regensburg in eine Theaterfamilie hineingeboren. Sein Vater Adam Roller, für den er Raimund hier um eine Anstellung bittet, war ein bekannter Theatermaschinist, der nach Engagements in Mainz und Augsburg von 1812 bis 1816 in Wien am Theater in der Leopoldstadt und von 1816 bis 1825 am Theater an der Wien tätig war. Dort wurde 1820 unter anderem zu seinem Benefiz Franz Schuberts Zauberharfe aufgeführt. 1822 sorgte er gemeinsam mit Hermann Neefe für die Ausstattung der Freischütz-Neueinstudierung. Nach einem kurzen Zwischenspiel in Graz wurde Adam Roller 1825 am Hoftheater in Dresden beschäftigt und hatte dort, wie aus dem vorliegenden Brief zu entnehmen ist, von dem aus Wien stammenden Dekorationsmaler Anton Arrigoni (1788-1851) einiges zu leiden. Raimund gehörte seit Oktober 1817 dem Ensemble des Leopoldstädter Theaters an, spielte und führte Regie, konnte aber selbst nach seiner Ernennung zum artistischen Direktor - die einige Wochen nach dem Erhalt des vorliegenden Briefes erfolgte - keinen maßgeblichen Einfluss auf die Personalpolitik des Theaters nehmen. Adam Roller hatte jedenfalls mit seinem Ansuchen um eine erneute Anstellung am Leopoldstädter Theater keinen Erfolg und blieb bis zu seiner Pensionierung in Dresden. Der für ihn hier als Bittsteller auftretende Sohn Andreas war bereits von 1821 an - zunächst als Assistent seines Vaters - im Theater an der Wien, dann am Josephstädter Theater als Maschinist und Dekorationsmaler tätig. 1827/1828 finden wir ihn in Graz, dann in Kassel und Berlin; dort wurde er stark durch Karl Friedrich Schinkel beeinflusst und erlangte zunehmende Bekanntheit als erfahrener und einfallsreicher Bühnengestalter. 1834 folgte er einer Einladung nach Russland, wo er als Leiter des Ausstattungswesens der kaiserlichen Theater die Theaterkultur in St. Petersburg und Moskau maßgeblich beeinflusste und nicht weniger als 63 Ballette und 78 Opern im Sinn der Romantik effektvoll ausstattete, darunter Verdis "La forza del destino". 1873 erhielt er als Andrej Adamovic Roller die russische Staatsbügerschaft; auch eine Professur für Perspektivmalerei an der St. Petersburger Kunstakademie bekleidete er. - Ungewöhnliches Dokument zur Theatergeschichte der Biedermeierzeit.

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